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22.9.07

Zurück aus Palästina... Lessons learned


Seit wenigen Tagen bin ich nun zurück aus Palästina und habe mich halbwegs wieder erholt - der wunderschöne Herbst ist dabei eine gute Hilfe, er hilft mir bei der Reflektion und dem Wiederauftanken.
Für mich gibt es einige Lektionen aus diesem und anderen Auslandstrainings, die vielleicht auch für andere TrainerInnen interessant sind:

  • Trainings im Ausland sind (wesentlich) anstrengender
    Je fremder die Kultur, desto mehr. Fremde Umgebung, unbekannte Sprache (verbal und nonverbal), neue soziale Regeln bis hin zum Essen - all dies kann je nach Verfassung leichten bis heftigen Stress verursachen. Eine gute Vorbereitung kann die Auswirkungen des Kulturschocks etwas lindern. Ich persönlich brauche eine Möglichkeit, mich zurückzuziehen; halbwegs gewohnte Verpflegung und Essenszeiten (wer einmal zwei Tage lang mit Magenkrämpfen und Durchfall ein Seminar geleitet hat, weiß was ich meine) - all dies läßt sich vorher mit den Organisatoren klären bzw. vor Ort meist ohne große Umstände anpassen.
  • Mentale Vorbereitung ist hilfreich
    Ein Training in Gewaltfreier Kommunikation ist vor allen Dingen eine Arbeit mit und an mentalen Weltbildern. In Palästina waren wir oft konfrontiert mit BLAUEM religiös-dogmatischem Denken ("Es steht in der Bibel", "Gott hat uns gelehrt"). Es wäre auf subtile Weise gewalttätig, wenn wir nun daherkommen, und diese Weltsicht relativieren wollten. Auf der anderen Seite ist das Aufeinanderprallen der christlich bzw. islamistisch dogmatischen Denkweise ein ständiger Konfliktherd, der nur durch eine Erweiterung (nicht Auflösung) der Weltsicht hin zu einer gegenseitigen Anerkennung gelöst werden kann. Mit diesen Spannungsfeldern empathisch umzugehen kann man sich erleichtern z.B. durch Lektüre über die typischen Konfliktfelder, "innere Rollenspiele" etc.. Als "mentale Landkarte" für derartige Empathieübungen ist die Kombinantion von Gewaltfreier Kommunikation und Spiral Dynamics sehr hilfreich.

  • Trainings haben Breiten- oder Tiefenwirkung
    Präsentationen und Trainings können entweder viele Menschen erreichen (Breitenwirkung) oder wenige Menschen auf tieferer Ebene transformieren (Tiefenwirkung). Tiefenwirkung braucht mehr Zeit, Breitenwirkung mehr Publikum. Beides ist wichtig und man muss für sich herausfinden, was einem lieber ist. Ich mag beides, wenn es gut vorbereitet ist. In Palästina hatten wir sehr viele Seminare und nur dadurch nur wenig Zeit für (relativ) wenige Teilnehmer (zwischen 6-25). D.h. die Breitenwirkung war gering, die Tiefenwirkung auch. Dies war auch bedingt durch die Vorgaben der Organisation, aber wir hätten dies durch klarere Kommunikation beeinflussen können.

  • Empathie geben oder Empathie lernen...
    Natürlich sind die Herzen vieler Menschen in Palästina voller Schmerz und Leid - und sobald sie etwas Vertrauen gefasst haben, kommen die Geschichten. Einen Nachmittags haben wir mit Studenten anhand einer Videoaufnahme einer Demonstration gegen die "Sicherheitsmauer" bei Bethlehem zu dem Thema "Gewaltfreiheit" gearbeitet. Sofort kamen die Erzählungen, über die Unterdrückung, Gewalterfahrungen etc. So war unsere wichtigste Aufgabe im Seminar oft einfach nur empathisch zuzuhören.
    Auf der anderen Seite glaube ich, dass es hilfreicher für die Menschen wäre, wenn sie lernen würden, sich untereinander empathisch (statt sympathisch) zuzuhören. Dieser Prozess läßt sich aber nicht umdrehen oder beschleunigen, Menschen in dieser Situation brauchen erst Empathie bevor sie etwas Neues dazu lernen können.
  • Die eigene Verzweiflung ernst nehmen und bearbeiten
    Ich bin in Palästina recht schnell mit meiner eigenen Verzweiflung in Kontakt gekommen -über das was sich Menschen gegeneitig antun, über die scheinbare Ausweglosigkeit aus einem Teufelskreis von Gewalt und Rache, über die meiner Meinung nach unsägliche Rolle der Religionen in diesem Konflikt, aber auch über die Begrenztheit und Nichtigkeit meines eigenen Beitrags zur Veränderung.
    Diese Verzweiflung nicht wegzuschieben, sondern ernst zu nehmen und konstruktiv zu bearbeiten habe ich erst im Laufe der Zeit gelernt. Der körperliche Schmerz und die Tränen, die dabei hochkommen haben etwas Reinigendes und Entlastendes, manchmal habe ich den Eindruck, ich weine dabei für viele Menschen in Palästina mit. Und das Schöne ist, unter diesen Tränen finde ich immer wieder meine Sehnsucht nach einem Sinn hinter all dem und in meinem Leben.

Herzliche Grüße
Markus Sikor

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